Am 8. November feiern die Steinmetze ihre Schutzpatrone: die Vier Gekrönten.
Die Geschichte ist etwas verwirrend und ein bisschen mysteriös. Man nennt sie die Vier Gekrönten, aber wahrscheinlich waren es fünf und man weiß nicht genau, woher der Name kommt.
Der Name ‘coronati', also Gekrönte, entstand vermutlich aus der Ehre, bzw. der ‘Krone' des Martyriums, dass sie auf sich nehmen mussten, oder aus dem Wort “curnicolari”, eine Bezeichnung für den militärischen Grad der Unteroffiziere der Römischen Kaiserarmee. Die Tradition der Heiligen Gekrönten kennt zwei Geschichten: die eine erzählt von vier römischen Zenturio, die zum Tode verurteilt wurden, weil sie Christen waren, während die zweite Geschichte von vier oder fünf Steinmetzen handelt, die wenige Jahre später aus demselben Grund hingerichtet wurden. Alle wurden nach der Hinrichtung in einer der ältesten Kirchen Roms begraben, die im V. oder VI. Jahrhundert nach den Vier Gekrönten benannt worden ist. Daher auch die Verwirrung.
Claudio, Nicostrato, Simproniano, Castorio und wahrscheinlich Simplicio waren Steinmetze und herausragende Künstler unter den vielen Arbeitern im Steinbruch von Pannonia., außerdem waren sie Christen. Ihr Talent war so beachtlich, dass ihre Mitarbeiter glaubten, sie seien Hexer, und jedes Mal, wenn sie sich während der Arbeit bekreuzigten, Gebete sprachen oder fromme Lieder sangen, vermuteten die anderen, dass die begnadeten Steinmetze Zauberformeln aussprechen würden. Als sie sich weigerten, die Statue des Gottes Äskulap zu meißeln und den Göttern ein Opfer darzubieten, die der Imperator Diokletian in Auftrag gegeben hatte, wurden sie 287 n. Ch. zum Tode verurteilt, d.h. lebend in eine Bleikiste gesperrt und in die Donau geworfen.
Das Ergebnis dieser wirren Geschichten: zwar blieben die Vier Gekrönten namentlich als römische Soldaten in Erinnerung, wurden jedoch zu Schutzpatronen der Baukunst.
Der Ruhm der Vier Gekrönten verbreitete sich schnell von Italien nach Europa. Die früheste Erwähnung der Vier Gekrönten findet man um 1317 in der Verfassung der Steinhauer in Venedig. In Florenz ernannte man die Vier Heiligen Gekrönten zu Schutzpatronen für Stein und Holz. In der Verfassung der Steinhauer von 1459 in Strassburg werden die Vier Heiligen Gekrönten als Schutzpatrone erwähnt, im 15. Jahrhundert existierten bereits in Brüssel und in Antwerpen verschiedene Vereinigungen der Vier Gekrönten, zu denen Maurer, Steinhauer und Bildhauer gehörten. Eine Darstellung der Vier Gekrönten findet man in der Kathedrale von Pavia und eine Marmorgruppe steht zu ihren Ehren in Florenz. Abgebildet sind sie unter anderem mit einem Hammer, einem Zirkel und einem Skalpell, deshalb sind sie bei den Freimaurern sehr beliebt: die Freimaurerloge für Nachforschung der Heiligen Gekrönten in London feiert zum Beispiel jedes Jahr am 8. November ihr eigenes Festival.
Kirche von Orsanmichele und die Heiligen Gekrönten
In letzter Zeit haben wir oft von Florenz und von den Heiligen Gekrönten gesprochen, heute versuchen wir, eine Verbindung zwischen beiden herzustellen.
Wir hatten Ihnen ja bereits empfohlen, Florenz zu besichtigen und sich dort den Naturstein Pietra Serena anzusehen. Wenn Sie schon mal dort sind, sollten Sie aber auch in die Kirche Orsanmichele gehen, die von außen gar nicht wie ein Kirchengebäude aussieht.
Werfen Sie dort einen Blick auf die Skulpturen in den Nischen der Gebäudefassade, es handelt sich insgesamt um vierzehn Statuen: die Schutzheiligen der schönen Künste von Florenz. Die Gilde “Arte dei Maestri di Pietra e Legname” ( Meisterkunst der Skulptur und Holzschnitzerei) beauftragte den Bildhauer Nanni di Banco, die Schutzpatronen der Bildhauer, die Gruppe der vier Gekrönten Heiligen, zu gestalten. Die Statuen entstanden zwischen 1409 und 1417 und wurden aus Carrara Marmor hergestellt. Der Bildhauer vollbrachte eine richtige Meisterleistung, da er anstatt einer einzigen Statue vier in der Nische unterbringen musste.
Um Platz für alle Statuen zu schaffen, musste Nanni di Banco die Skulpturen verkleinern (die größte misst ca. zwei Meter), sie im Halbkreis anordnen und sie an den halbzylinderförmigen Raum der Nische anpassen. Durch ihre Blicke, Gesten und Figurenperspektive scheint es, als seien die vier Statuen miteinander im Gespräch.
Die vier Heiligen scheinen in stummer Debatte über die Bedeutung ihrer Weigerung zu diskutieren, wobei sie sich durchaus der Folgen ihrer ablehnenden Haltung bewusst sind.
Der Mann rechts scheint zu sprechen, sein Mund ist geöffnet. Die anderen hören ihm aufmerksam zu, lassen ihre Blicke aber schweifen, als ob sie sich vergewissern möchten, was als Nächstes passieren wird.
An diesem großartigen Beispiel sieht man, was aus Naturstein entstehen kann. Außerdem zeigt sich die Vornehmheit des Steinmetzberufs. Auch wenn das zu verarbeitende Material und die Arbeit selbst sehr hart sind, entstehen Kunstwerke mit Herzblut und Menschlichkeit. Wahrscheinlich beeinflussten die Skulpturen gerade deshalb die Kunst der damaligen Zeit, wie das berühmte Fresko „Der Zinsgroschen“ des Malers Massaccio in der Kapelle Brancacci, der die Apostel im Halbkreis um Jesus Christus darstellte. Seit 1999 steht die Marmorgruppe nun im Museum der Kirche Orsanmichele, in der Nische sieht man heute nur noch eine Kopie.
Die Heiligen Vier Gekrönten (Casorio, Claudio, Sempronio und Nicostrato) waren vier Bildhauer, die sich aufgrund ihres christlichen Glaubens weigerten, eine Statue des Gottes Äskulap für den Kaiser Diokletian zu meißeln. Aufgrund ihrer ablehnenden Haltung wurden sie verfolgt und zum Tode verurteilt.
Wenn Sie sich die Statuen im Inneren des Museums aus nächster Nähe ansehen, werden sie bemerken, dass deren stiller und ernster Gesichtsausdruck in etwa Folgendes sagt: ”Leute, wenn wir uns weigern, wird es für uns übel enden!”.
Die Steinmetze sind hart im Nehmen und das ist wahrscheinlich der Grund, warum ihnen diese wagemutigen Heiligen so am Herzen liegen. Ihre Rolle als Beschützer der Bildhauer und Architekten zeigt sich auch im Flachrelief unter dem Tabernakel. Zu Ehren der Gilde, dem Auftraggeber des Kunstwerkes, wurden hier die Vier Heiligen beim Bauen, beim Schnitzen, beim Berechnen der baulichen Maße und beim Bildhauen dargestellt.
Das Kunstwerk zeigt, wie wichtig der Gemeinschaftssinn im Florenz der damaligen Zeit war: nachdem man alles in Ruhe besprochen hat, wird gemeinsam eine Entscheidung gefällt, die über Leben und Tod der Gruppe entscheidet. Während Donatello mit seinem heiligen Markus, der in einer der benachbarten Nische steht, die Bedeutung und Würde des Individuums darstellt, zeigt Nanni di Banco in seinem Kunstwerk den Stellenwert der mitmenschlichen Beziehungen und der Gruppendynamik.
Vasari erzählt eine interessante Geschichte über die Entstehung und Anordnung der Skulpturengruppe: Donatello habe nach einer Wette mit Banco die Statuen in der Nische umgesetzt, da dieser nur drei von vier Statuen platzieren konnte. Während Nanni di Banco in Prato war, hat laut Vasari “ […]Donato seine Schüler mit zur Arbeit genommen, dann meißelte er an den Schultern und Armen dieser Statuen herum, so dass zwischen der einen und der anderen Statue Platz entstand, er rückte sie zusammen und ließ die Hand einer Staue auf den Schultern einer anderen ruhen. Die Skulpturen hatte er mit Geschick und Fertigkeit nun so angeordnet, dass der Fehler von Nanni behoben war. […]”.
Tatsächlich sind die beiden Statuen, die Donatello angeblich näher zusammengestellt hat, aus einem einzigen Marmorblock gemeißelt. Für die Skulpturengruppe wurden insgesamt nur drei Marmorblöcken verwendet, einer davon für die beiden rechtsstehenden Statuen, die durch raffinierte Posen und natürliche Gesten besonders auffallen. Nanni di Banco geht über die Lehre der Gotik hinaus, er stellt seine Skulpturen in feierliche Posen, aber gleichzeitig bekommen sie durch die reichliche Drapierung der antiken Kleidung plastisches Volumen. Dieses Kunstwerk ist eines der ältesten Beispiele für die im ersten Jahrzehnt des fünfzehnten Jahrhunderts aufkommende Florentiner Mode.
Natürlich müsste man auch das unter den Skulpturen liegende Flachrelief genauer betrachten, denn mal abgesehen vom Namen und Ruhm der berühmten Künstler, werden hier die Fähigkeiten und die Fertigkeit der Arbeitskräfte und Handwerker der Steinmetzbranche gezeigt.
In unserem Artikel sprechen wir nur über Florenz, aber eigentlich gibt es in ganz Italien etliche Gebäude und Kunstwerke, die von der engen Beziehung zwischen Naturstein und Kunst erzählen.